Übersicht über das Verfahren vor dem Kirchlichen Arbeitsgericht
Zuständigkeit
Während Streitigkeiten aus dem individuellen Arbeitsvertrag weiterhin vor den staatlichen Arbeitsgerichten verhandelt werden, ist das Kirchliche Arbeitsgericht seit seiner Einrichtung im Jahr 2005 für die Beilegung so genannter kollektivarbeitsrechtlicher Streitigkeiten zuständig. Das bedeutet zum einen, dass es hier nur um Rechtsstreitigkeiten geht, also um Fälle, in denen die Rechtsgrundlage selbst strittig ist, während Regelungsstreitigkeiten (zu bestimmten Tatbeständen), also Fälle, in denen eine Regelung auf Basis einer an sich nicht umstrittenen Rechtsgrundlage getroffen werden soll, aber strittig ist, vor die Einigungsstelle beim Bischöflichen Ordinariat verwiesen sind. Zum anderen heißt das, dass sich die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts auf Auseinandersetzungen aus zwei Bereichen erstreckt,
- dem Mitarbeitervertretungsrecht und
- dem Recht der KODA.
Rechtsstreitigkeiten aus dem Mitarbeitervertretungsrecht (§ 2 Abs. 2 KAGO) beziehen sich auf
- die MAVO und
- die Caritas-Werkstätten-Mitwirkungsverordnung.
- Auch Rechtsstreitigkeiten über ein (auf Basis der MAVO) durchgeführtes Verfahren vor der Einigungsstelle können Gegenstand eines Arbeitsgerichtsverfahrens werden.
Meist, aber nicht ausschließlich, geht es hier um Materien aus den §§ 29, 34 und 35 MAVO. Dagegen geht es bei Auseinandersetzungen aus dem Recht der KODA (§ 2 Abs. 1 KAGO) um
- die KODA-Ordnung und
- die KODA-Wahlordnung.
Klagebefugnis
Bei Rechtsstreitigkeiten aus dem Mitarbeitervertretungsrecht sind klagebefugt:
- der Dienstgeber, wenn es um die MAVO geht (§ 8 Abs. 2 Buchst. a-c, e KAGO) bzw.
- der Rechtsträger der Werkstatt, wenn es um die Caritas-Werkstätten-Mitwirkungsverordnung geht (§ 8 Abs. 2 Buchst. d KAGO),
- die MAV, wenn es um die MAVO geht (§ 8 Abs. 2 Buchst. a, b, e KAGO) bzw.
- der Werkstattrat, wenn es um die Caritas-Werkstätten-Mitwirkungsverordnung geht (§ 8 Abs. 2 Buchst. d KAGO),
- die Diözese bzw. der Diözesancaritasverband, wenn es um das Recht der DiAG-MAV geht (§ 8 Abs. 2 Buchst. c KAGO),
- die Organe der DiAG-MAV, wenn es um deren Recht geht (§ 8 Abs. 2 Buchst. c KAGO),
- entsprechende Wahlorgane, wenn es um das Wahlverfahren oder die Mitgliederversammlung geht (§ 8 Abs. 2 Buchst. b KAGO),
- ein MAV-Mitglied, wenn es um dessen eigene Rechtsstellung geht (§ 8 Abs. 2 Buchst. e KAGO),
- die Sprecherin oder der Sprecher der Jugendlichen und Auszubildenden, wenn es um deren / dessen eigene Rechtsstellung geht (§ 8 Abs. 2 Buchst. e KAGO),
- die Vertrauensperson der Schwerbehinderten, wenn es um deren eigene Rechtsstellung geht (§ 8 Abs. 2 Buchst. e KAGO),
- der Vertrauensmann der Zivildienstleistenden, wenn es um dessen eigene Rechtsstellung geht (§ 8 Abs. 2 Buchst. e KAGO),
- ein DiAG-MAV-Mitglied, wenn es um dessen eigene Rechtsstellung geht (§ 8 Abs. 2 Buchst. e KAGO),
- ein einzelner Mitarbeiter, wenn es um das Wahlverfahren oder die Mitgliederversammlung geht (§ 8 Abs. 2 Buchst. b KAGO).
Bei Auseinandersetzungen aus dem Recht der KODA sind klagebefugt:
- die Hälfte der KODA-Mitglieder (§ 8 Abs. 1 Buchst. a KAGO),
- die Mehrheit der Dienstgeber- oder Dienstnehmerseite der KODA (§ 8 Abs. 1 Buchst. a KAGO),
- ein einzelnes KODA-Mitglied, wenn es um seine Rechtsstellung geht (§ 8 Abs. 1 Buchst. b KAGO),
- der Dienstgeber, wenn es um die Rechtsstellung eines KODA-Mitglieds (§ 8 Abs. 1 Buchst. b KAGO) oder die KODA-Wahlordnung (§ 8 Abs. 1 Buchst. c KAGO) geht,
- entsprechende Wahlorgane, wenn es um die KODA-Wahlordnung geht (§ 8 Abs. 1 Buchst. c KAGO),
- nach Art. 6 GrO anerkannte Koalitionen (Gewerkschaften), wenn es um deren Rechtsstellung (§ 8 Abs. 1 Buchst. d KAGO) oder die KODA-Wahlordnung (§ 8 Abs. 1 Buchst. c KAGO) geht,
- ein einzelner Mitarbeiter, wenn es um die KODA-Wahlordnung geht (§ 8 Abs. 1 Buchst. c KAGO).
Einreichung der Klage
Die Klage kann schriftlich eingereicht oder bei der Geschäftsstelle des Gerichts mündlich zur Niederschrift erhoben werden. In der Klage sind die beiden Streitparteien mit Namen und Anschrift zu benennen und ist anzugeben, um was gestritten wird. Auch ist ein Antrag zu stellen. Möglich sind diesbezüglich Leistungs- bzw. Unterlassungsklagen einerseits sowie Feststellungsklagen andererseits; das bedeutet, dass entweder beantragt wird, dass der Beklagte vom Gericht zur Vornahme bzw. Unterlassung einer Leistung verurteilt werden solle (Beispiel: unverzügliche Durchführung eines Zustimmungsverfahrens, Unterlassung weiterer Verletzungen der Rechte der MAV), oder dass beantragt wird, dass seitens des Gerichts ein Rechtsverstoß durch den Beklagten festgestellt wird (Beispiel: Feststellung der Verletzung der Rechte der MAV durch das Unterbleiben eines Zustimmungsverfahrens). Vorrangig sind dabei Leistungs- bzw. Unterlassungsanträge zu stellen. Beweismittel sind anzuführen (§ 28 KAGO). Der Kläger und/oder der Beklagte kann/können sich durch eine sach- und rechtskundige Person (z. B. Rechtsanwalt) vertreten lassen (§ 11 KAGO), muss/müssen dies aber nicht tun, d. h. es besteht kein Anwaltszwang.
Eingehende Klagen werden nach dem Geschäftsverteilungsplan zwischen dem Vorsitzenden des Kirchlichen Arbeitsgerichts und seinem Stellvertreter aufgeteilt (§ 16 Abs. 3 KAGO). Dieser Plan wird für jedes Jahr aufgestellt und legt die Verteilung nach sachlichen Kriterien fest (z. B. nach dem Aktenzeichen), so dass für jede eingehende Klage von vornherein festgelegt ist, welchem Richter sie zugeteilt wird.
Ablauf des Verfahrens
Der Ablauf des Verfahrens wird durch die Kirchliche Arbeitsgerichtsordnung (KAGO) geregelt, die teilweise subsidiär auf staatliche Rechtsnormen wie z. B. das ArbGG und die ZPO verweist.
Die Klage wird der beklagten Seite zugestellt, wobei eine Frist gesetzt wird, innerhalb der eine Erwiderung darauf abgegeben werden kann (§ 31 KAGO); Fristverlängerungen sind ggf. auf Antrag möglich. Nach Eingang der Erwiderung werden beide Seiten zur öffentlichen mündlichen Hauptverhandlung geladen (§ 32 KAGO).
Kommt es nicht spätestens in dieser mündlichen Verhandlung zu einem Vergleich zwischen beiden Parteien, einer Erledigungserklärung oder einer Klagerücknahme (§§ 29, 41 KAGO), entscheidet das Gericht durch Urteil (§ 42 KAGO) in der Besetzung aus dem Vorsitzenden bzw. seinem Stellvertreter sowie zwei so genannten Listenbeisitzern, einem von der Dienstgeberseite und einem von der Dienstnehmerseite (§ 16 Abs. 2 KAGO). Diese Beisitzer werden in alphabetischer Reihenfolge aus einer Liste ausgewählt, in der je sechs Beisitzer von beiden Seiten enthalten sind, die wie der Vorsitzende und sein Stellvertreter für fünf Jahre ernannt sind.
Rechtsmittel
Gegen das Urteil kann Revision zum Kirchlichen Arbeitsgerichtshof in Bonn eingelegt werden, wenn sie im Urteil zugelassen wurde (§ 47 Abs. 1 KAGO), und zwar ist sie innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Kirchlichen Arbeitsgerichtshof oder auch beim Kirchlichen Arbeitsgericht einzulegen (§ 50 Abs. 1 KAGO) und innerhalb eines weiteren Monats beim Kirchlichen Arbeitsgerichtshof zu begründen (§ 50 Abs. 2 KAGO), wobei eine Fristverlängerung möglich ist.
Eine Revision bedeutet keine neue Tatsachenbeurteilung, sondern nur eine Überprüfung auf rechtliche Mängel und kann deshalb auch nur mit solchen begründet werden (§ 49 KAGO).
Wurde die Revision im erstinstanzlichen Urteil nicht zugelassen, kann gegen die Nichtzulassung beim Kirchlichen Arbeitsgerichtshof oder auch beim Kirchlichen Arbeitsgericht eine Beschwerde eingebracht werden (§ 48 Abs. 2 KAGO), die innerhalb eines weiteren Monats beim Kirchlichen Arbeitsgerichtshof begründet werden muss (§ 48 Abs. 3 KAGO).
Kosten
Das Verfahren vor dem Kirchlichen Arbeitsgericht als solches ist kostenlos. Wer entstandene Unkosten zu tragen hat, entscheidet das Gericht (§ 12 Abs. 1 KAGO). In diesem Zusammenhang kann der Vorsitzende des Kirchlichen Arbeitsgerichts auf Antrag auch feststellen, dass die Bevollmächtigung eines Rechtsvertreters zur Wahrung der Rechte der MAV notwendig oder zweckmäßig erscheint und daher die Kosten dafür vom Dienstgeber getragen werden müssen (§ 17 Abs. 1, 4. Spiegelstrich MAVO). Diese Entscheidung kann ggf. auch schon vor Verkündung des Urteils durch selbstständig anfechtbaren Beschluss ergehen (§ 12 Abs. 2 KAGO).
Besondere Arten von Verfahren
Wenn die Gefahr besteht, dass bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens die Verwirklichung eines Rechtes des Klägers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, oder wenn die Regelung eines vorläufigen Zustands erforderlich ist, um wesentliche Nachteile abzuwenden, dann kann - sogar schon vor Erhebung der eigentlichen Klage - ein Antrag auf Erlass einer entsprechenden einstweiligen Verfügung gestellt werden (§ 52 Abs. 1 KAGO). Das diesbezügliche Verfahren wird separat vom ordentlichen Klageverfahren geführt. Es gehört aber in die Zuständigkeit dessen, der auch das ordentliche Verfahren führt.
Neben den üblichen gibt es noch eine Reihe von Sonderverfahren, nämlich Klagen auf Auflösung einer MAV, auf Verlust der Mitgliedschaft in einer MAV (§ 44 KAGO), auf Verlust der Mitgliedschaft in der KODA (§ 44a KAGO), über die Zuständigkeit der KODA (§ 45 KAGO) sowie Wahlprüfungsklagen (§ 44b KAGO). Auch besteht eine Zuständigkeit des Kirchlichen Arbeitsgerichts, das Verfahren oder Entscheidungen der Einigungsstelle beim Bischöflichen Ordinariat auf rechtliche Mängel zu überprüfen (§ 47 Abs. 4 MAVO).