Kirchliche Ehenichtigkeitsverfahren

Was ist ein kirchliches Ehenichtigkeitsverfahren?

Es handelt sich um ein nach gerichtlichen Prinzipien gestaltetes Verfahren, in dem der Beweis zu erbringen ist, dass ein geltend gemachter Ungültigkeitsgrund tatsächlich bei der Eheschließung vorlag. Als Beweismittel kommen Zeugenaussagen, Dokumente, Briefe, Tagebücher u. a. in Betracht.

Es geht also darum, die Wahrheit über die Frage der Gültigkeit einer Eheschließung herauszufinden, keinesfalls aber darum, das Verschulden des einen oder anderen Partners am Zerbrechen der Ehe festzustellen.

Das Verfahren wird folglich nicht gegen den anderen Partner geführt, sondern gegen die Rechtsvermutung, die Ehe sei gültig.

 

Wo ist das kirchliche Ehenichtigkeitsverfahren zu führen?

Zuständig für die Durchführung eines kirchlichen Ehenichtigkeitsverfahrens ist das kirchliche Gericht (Offizialat) der Diözese, in welcher der Trauungsort oder der Wohnsitz eines der Ehegatten liegen oder in dessen Bereich die meisten Zeugen wohnen.  

Die Anschrift des kirchlichen Gerichts der Diözese Rottenburg-Stuttgart lautet:

Bischöfliches Offizialat
Marktplatz 11
72108 Rottenburg am Neckar

Für den Schriftverkehr ist folgende Postfachadresse zu benutzen:

Bischöfliches Offizialat
Postfach 9
72101 Rottenburg am Neckar  

Ansprechpartner sind:

07472 169-604

offizialat(at)bo.drs.de 

 

Wie wird das Verfahren eingeleitet?

Wer eine kirchliche Ungültigkeitserklärung seiner Ehe anstrebt, kann in einem unverbindlichen und kostenlosen Gespräch mit einem Mitarbeiter des Bischöflichen Offizialates klären, ob überhaupt die Voraussetzungen für die Einleitung eines Eheverfahrens gegeben sind. Insbesondere muss ein kirchenrechtlich anerkannter Ehenichtigkeitsgrund geltend gemacht und ein hinreichendes Beweisangebot vorgelegt werden können. In diesem Gespräch werden auch Hinweise für die Ausarbeitung eines Antrags auf ein Eheverfahren erteilt.

Vor der Einleitung eines Verfahrens müssen die Möglichkeiten einer Wiederversöhnung erwogen werden, sofern nicht bereits eine zivile Ehescheidung erfolgt ist. Der Antragsteller (aber auch die andere Partei) kann sich der Hilfe eines von der Kirche zugelassenen Anwalts bedienen und muss diesen dann auch zahlen. Anwaltszwang besteht jedoch nicht.

 

Wird der geschiedene Ehegatte beteiligt?

Nach dem Grundsatz, stets auch die andere Seite zu hören, sowie im Interesse der Wahrheitsfindung wird der nichtantragstellende Ehegatte in das Verfahren einbezogen und erhält die Möglichkeit zur Aussage, zur Stellung von eigenen Beweisanträgen und zur Akteneinsicht. Im Falle der Aussageverweigerung gehen diese Rechte verloren, der Fortgang des Verfahrens wird dadurch aber nicht gehemmt.

 

Wer trägt die Beweislast?

Es obliegt dem Antragsteller, seine Angaben und Erklärungen unter Beweis zu stellen. Bei der Benennung von Zeugen kommt es darauf an, dass sie aussagefähig und aussagewillig sind. Bloße schriftliche Erklärungen reichen in der Regel nicht aus. Es können auch Verwandte wie Eltern und Geschwister als Zeugen benannt werden.

 

Gibt es eine Gerichtsverhandlung?

Eine mündliche Verhandlung, zu der die Parteien und Zeugen gemeinsam erscheinen, findet nicht statt. Vielmehr werden die früheren Partner und ihre Zeugen jeweils einzeln und nacheinander befragt. Die protokollierten Aussagen bilden mit den sonstigen beweisdienlichen Schriftstücken die Grundlage für die abschließende Entscheidung, welche von einem aus drei Richtern bestehenden Kollegium zu treffen ist. Das Urteil wird den Parteien mit ausführlicher Begründung zugeschickt.

 

Wie wird das Verfahren abgeschlossen?

Das Verfahren wird mit einem Urteil abgeschlossen. Wenn eine Partei oder der Ehebandverteidiger mit einem Urteil nicht einverstanden ist, kann sie bzw. er bei der nächsthöheren Instanz Berufung einlegen.

Die zweite Instanz für das Bischöfliche Offizialat Rottenburg ist das Erzbischöfliche Offizialat Freiburg. In dritter Instanz wird in der Regel die Römische Rota tätig; es kann aber auch der Antrag auf ein drittinstanzliches Gericht auf deutschem Boden gestellt werden.

 

Wie lange dauert ein Verfahren und was kostet es?

Viele Faktoren bestimmen die Dauer eines Ehenichtigkeitsverfahrens: die Aussagebereitschaft der Parteien, der Zeugen u. a. Eventuell müssen auswärtige Gerichte beteiligt werden, muss ein Gutachten angefordert werden. Aus diesem Grund ist es nicht möglich, eine präzise Angabe zu machen, wie lange ein Verfahren dauert.

Die Gerichtsgebühren betragen in erster Instanz 200 Euro, in zweiter Instanz 100 Euro. Sie sind von der antragstellenden Partei zu tragen.

Hinzu können weitere Kosten kommen, z. B. Honorare für Gutachten, Übersetzungen und ausländische Gerichte.

Wer nicht in der Lage ist, die Verfahrenskosten zu bezahlen, kann deren Ermäßigung oder Erlass beantragen.

 

Welche Folgen ergeben sich?

Hat eine Instanz die Ungültigkeit einer Ehe festgestellt und wurde dagegen keine Berufung eingelegt, können die Partner eine neue Ehe in der Kirche schließen bzw. eine bereits standesamtlich eingegangene Ehe kirchlich gültig machen lassen, sofern keine anderweitigen Hindernisse entgegenstehen. Sind aus der für ungültig erklärten Ehe Kinder hervorgegangen, gelten diese nach wie vor als ehelich, wie auch die übrigen zivilgerichtlichen Scheidungsregelungen nicht tangiert werden.

Eine Ehenichtigkeitserklärung bliebe wirkungslos, wenn sie nur durch Falschaussagen erschlichen worden wäre. Menschen kann man vielleicht täuschen, nicht aber Gott, der in die Herzen der Menschen sieht (vgl. Psalm 44, 22).

 

Verfahren zur Auflösung einer Ehe

Neben den Ehenichtigkeitsverfahren gibt es Verfahren zur Auflösung einer Ehe. Unter anderem ist erforderlich, dass wenigstens ein Partner bei der Hochzeit nicht getauft war oder dass die Ehe nicht geschlechtlich vollzogen war.

 

Bischöfliche Kurzverfahren

Unter bestimmten Voraussetzungen, nämlich

  • wenn beide Ehegatten den Antrag auf Einleitung eines Ehenichtigkeitsverfahrens gemeinsam stellen oder wenn sich zumindest der Ehegatte, der den Antrag nicht gestellt hat, diesen nachträglich zu eigen macht und
  • wenn die Nichtigkeit der Ehe schon bei Antragstellung so offenkundig ist, dass keine weiteren Untersuchungen notwendig sind,

kann ein sogenannter kürzerer Eheprozess vor dem Bischof eingeleitet werden. Erfahrungsgemäß können aber auch ordentliche Ehenichtigkeitsverfahren unter günstigen Umständen in ähnlich kurzer Zeit durchgeführt werden.